Thyl Steinemann, der Braunbär aus den Bergen

Thyl Steinemann
Thyl Steinemann war der letzte Braunbär der Schweiz.

Bei Thyl Steinemann handelte es sich um einen braunesoterischen Verschwörungstheoretiker im Endstadium. Er war das Opfer seiner eigenen Dummheit, zu Grunde gerichtet von verschwörungstheoretischen Wahnvorstellungen. Lange Zeit wohnte er, gemeinsam mit seiner Ehefrau Sylvia, in einem schönen Haus in Graubünden – wundervoll gelegen, mit Blick auf die Alpen.

Thyl Steinemann

Einen an der Waffel hatte Steinemann wohl sein Leben lang, aber was die Lebensumstände betrifft, so ging es mit ihm erst rapide bergab, nachdem seine Frau verstarb. Steinemann verlor durch ungeschicktes Agieren nicht nur sein Haus, sondern nahezu sämtliches Hab und Gut. Bis zu seinem Lebensende hauste er in der winzigen Mansarde eines Altbaus. Es blieb ihm die monatliche Rentenzahlung des Schweizer Staates sowie eine Tastenfidel, auf der er an Bahnhöfen und anderen öffentlichen Orten spielte, um sich etwas dazuzuverdienen.

Der Wahn hielt Steinemann bis zum Schluss fest im Griff. Der hagere Rentner glaubte fest daran, dass er bald eine größere Erbschaft erhalten würde; ein afrikanischer Betrüger hatte ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt. Immer wieder sollte Steinemann Beträge nach Afrika überweisen, um an das Erbe zu kommen. Seine Geschwister weigern sich , diese angeblichen Anwaltskosten vorzustrecken. Sie versuchten ihrem Bruder die Augen zu öffnen – es handle sich um „Betrug, um nichts anderes als Betrug“. Doch Steinemann blieb in jeder Hinsicht uneinsichtig.

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Schlecht gemachtes Fake: Deutsche „Reichsflugscheiben“ über den Schweizer Alpen.

Er glaubte an Chemtrails, bösartige HAARP-Strahlen, an Reichsflugscheiben, ans Channeln und anderen Unfug. Steinemann war ein klassischer Antisemit. Auf seiner Homepage hatte er die „Protokolle der Weisen von Zion“ veröffentlicht, und zwar mit dem lügenhaften Hinweis, dass es sich um authentische Texte handle. Zudem verlinkte Steinemann fleißig zu den Seiten der rechtsextremistischen deutschen Reichsbürgerbewegung.

Nicht minder abscheulich war seine Rubrik „Antlitzkunde – Menschenkenntnis“, in der er die sogenannte Physiognomik auferstehen ließ. Selbige wurde von NS-Akademikern praktiziert, die glaubten, per Gesichtsanalyse einen jüdisch-stämmigen Reichsbürger von einem original Sauerkraut-Deutschen unterscheiden zu können.

Thyl Steinemann stieg in die Fußstapfen dieser Scharlatane . Er projizierte munter Charaktereigenschaften in jedes x-beliebige Gesicht. Eine persönliche Begegnung sei hierfür nicht notwendig, ein Foto aus dem Internet genüge. Steinemann konnte sogar die Charaktereigenschaften einer Phantasiefigur wie die des Uncle Sam feststellen, allein aufgrund der altbekannten grafischen Darstellung:

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Uncle Sam ist böse!

Auch die angeblichen Charakterschwächen des ehemalige US-Präsidenten George W. Bush wurden von ihm aufgezeigt. Nebenher erfuhr der verblüffte Leser, dass Bush im Laufe seiner Amtszeit durch einen strapazierfähigeren Klon ausgetauscht wurde.

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George W. Bush ist böse!
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Ariel Sharon ist (war) böse!

In Thyl Steinemanns Schubladenuniversum existierten freilich auch gute Menschen. Wahrhaftige Lichtgestalten sogar! Dem – inzwischen dahingeschiedenen – Massenmörder Osama Bin Laden beispielsweise wurden eine Reihe höchst positiver Eigenschaften angedichtet. Allerdings ging Steinemann bei seiner Analyse von der Fehlannahme aus, dass der Terroristenchef Afghane gewesen sei:

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Osama Bin Laden ist (war) lieb!

Garniert wurde der kranke Schwachsinn mit Links zu Behauptungen wie „Hitlers Friedensbemühungen vor dem Russlandfeldzug“ oder der dummfrechen Lüge, Anne Frank, die von Steinemann als „Holocaust-Ikone“ verhöhnt wurde, hätte das KZ überlebt.

Thyl Steinemann hätte zu Lebzeiten einen Blick in den Spiegel werfen. Vielleicht wäre ihm anhand der eigenen Gesichtszüge klar geworden, dass er ein selten dummer und hasserfüllter Mensch war. Seine Entgleisungen taugen allerdings als Warnung – nämlich dahingehend, dass Verschwörungswahn auch zu einem beachtlichem sozialen Abstieg führen kann.

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Thyl Steinemanns peinliche Bettelei

Artikel am 21.11.2023 aktualisiert, da davon auszugehen ist, dass Thyl Steinemann verstorben ist.

Über Pätus Bremske

Schlaukopf, Zyniker, Germanist.

Veröffentlicht am 21. Januar 2014 in Reichsbürger und mit , , , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.

  1. Ach einer meiner Landsgenossen. Der wird eher im Grab sein als dass er nur einen Cent einer Erbschaft sieht.

    Der schreibt ja selber von „Nigeria connection“.

    Die Post ist unzuverlässig aber sein Anwalt, die armen Schützlinge( die sich über Thyl kaputtlachen würden wenn es sie denn gäbe) sind sicher gaaanz zuverlässig.

    Ob sich der „Anwalt“ Dr. Jacob Ayeebo nennt…oder doch eher Dr. Barr. Koffie Ayang?

    Scambaiters

    Ob ich den Thyl mal frage wie denn der Anwalt aus Ghana heisst?

    • Nun hat er also angeblich einen Teil des Geldes überwiesen, das der Ganoven-Anwalt für die erfundene Erbschaft verlangt. Mal sehen, was Steinemann demnächst vermeldet, wenn er im Gegenzug natürlich trotzdem keinen Rappen erhält. Vermutlich wird er dann behaupten, die Amis, die Juden oder Angela Merkel hätten seine Überweisung abgefangen, so dass sie nicht bei dem afrikanischen Advokaten angekommen ist. Na ja, Alter schützt vor völliger Verblödung nicht …

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